Glaubenskurse für die ESGn

Die Bergpredigt (Matthäus 5-7)

Ablauf

Verfasser: Dr. Uwe-Karsten Plisch, ESG-Geschäftsstelle Hannover, <link>ukp@bundes-esg.de

  1. Lektüre der Bergpredigt in Zweiergruppen, erarbeiten ihrer Struktur
  2. Reflexion der ethischen (An-)Forderungen der Bergpredigt, ausgehend von der Goldenen Regel

0. Ziel

Die Bergpredigt ist einer der wichtigsten, vielleicht der wichtigste christliche Text und essentiell für das christliche Selbstverständnis. „Nun sag, wie hast du’s mit der Bergpredigt“ ist eine der Grundfragen christlicher Existenz, schließlich lässt sich die Kirchen- und Theologiegeschichte auch als Versuch beschreiben, sich vor der Bergpredigt zu drücken. Der Baustein hat deshalb zwei Ziele, die am besten an zwei Abenden verhandelt werden sollten.

  1. Das gründliche Kennenlernen der Bergpredigt: Welche Inhalte hat sie? Wie ist sie aufgebaut?
  2. Reflexion: Was hat das mit mir zu tun? Oder ganz klassisch: Wem gilt die Bergpredigt?

1. Die Bergpredigt als (matthäische) Redekomposition

Methode
Den Text der Bergpredigt (Mt 5-7) in Zweiergruppen lesen lassen. Aufgabe: Erstellen eines Rasters der Bestandteile (Zwischenüberschriften finden).

Material
Ein ausgedruckter Bibeltext ohne Zwischenüberschriften und Kapiteleinteilungen. Die Verwendung verschiedener Übersetzungen kann nicht schaden.
Zur eigenen Orientierung (bzw. in einem nächsten Schritt auch für die Teilnehmer*innen) kann folgende Übersicht dienen:

Übersicht über die Bergpredigt

Die matthäische Redekomposition der Bergpredigt aus verschiedenen Traditionsstücken akzentuiert Jesus als Lehrer (Rabbi), sie steht im Matthäusevangelium vor den Taten Jesu.

  1. Mt 5,3-12 (par Lk 6,20-23): Die Seligpreisungen
    Die Seligpreisung der Armen, Hungernden, Trauernden (Weinenden - Lk) entspricht Jesu Tun; die Seligpreisung der um Jesu willen Verfolgten reflektiert spätere Gemeindesituation
    Mt: lehrhafte Aussagen in der 3. Pers. - Lk: direkte Anrede in der 2. Pers.

  2. Mt 5,13-16 (par Lk 14,34f + 8,16): Bildworte
    vom Salz, Licht und Leuchter: Der Auftrag der Seliggepriesenen in der Welt

  3. Mt 5,17-20 (par Lk 16,16f): Jesu Stellung zur Thora
    Reflexion der eigenen jüdischen Tradition (der Gemeinde) - Betonung des Kontinuums

  4. Mt 5,21-47: Die fünf sogenannten Antithesen
    1. Du wirst/sollst nicht morden ... ich aber sage ..., (par Lk 12,57ff), Ex 20,13 2)          
    2.                        ehebrechen ..., (par Mk 9,47 + 9,43), Ex 20,14
      • Ehescheidung, (par Lk 16,18), Dt 24,1
    3.                        Meineid schwören, Lev 19,12
    4. Wider Vergeltung, (par Lk 6,29f), Ex 21,24
    5. Nächstenliebe - Feindesliebe, (par Lk 6,27f .32-36), Lev 19,18
      Die sogenannten „Antithesen“ sind diskursive Schriftauslegung: Der Jude Jesus legt einem jüdischen Publikum die Thora aus. Sogenannte Antithesen, weil: Ein ?? ist kein ????!
      Parallelüberlieferung zumeist nur für die jeweiligen Bsp.e, nicht für die sogenannten Antithesen (vgl. aber Nr. 5)

  5. Mt 6,1-8: Die Werke der Gerechtigkeit
    Vom Almosengeben und Beten (nicht öffentlich, sondern im Verborgenen). Vgl. EvThom 6a + 14.

  6. Mt 6,9-15 (par Lk 11,2-4): Das Vaterunser
    Vgl. beide Textformen miteinander!
    Unser Vater in den Himmeln, | Vater,
    geheiligt werde dein Name, es komme dein Reich, es geschehe | geheiligt werde dein Name, es komme dein Reich!
    dein Wille wie im Himmel auch auf Erden!
    Unser Brot für den nächsten Tag gib uns heute! | Unser Brot für den nächsten Tag gib uns Tag um Tag!
    Und lass uns nach unsere Verschuldungen, wie auch wir nachgelassen haben unseren Schuldnern! | Und lass uns nach unsere Sünden, denn auch wir lassen nach jedem, der uns schuldet!
    Und bringe uns nicht in Versuchung hinein, sondern errette uns von dem Bösen! | Und bringe uns nicht in Versuchung hinein!
    [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. (späterer Zusatz)]    Vater,
    geheiligt werde dein Name, es komme dein Reich!

    Das Vaterunser ist bei Mt eingebettet in den Zusammenhang vom Almosengeben und Beten, dazu gehört noch:

  7. Mt 6,16-18: Vom Fasten

  8. Mt 6,19-34: Gottvertrauen und irdische Sorge
    a) Vom Schätzesammeln (par Lk 12,33f)
    b) Bildwort vom Auge (par Lk 11,34ff)
    c) Doppeldienst (par Lk 16,13)
    d) Sorget nicht! (par Lk 12,22-32)

  9. Mt 7,1-5 (par Lk 6,37-42): Richtet nicht!

  10. Mt 7,6 (par EvThom 93): Perlen vor die Säue

  11. Mt 7,7-11 (par Lk 11,9-13): Gebet und Erhörung (Bittet, so wird euch gegeben ...)

  12. Mt 7,12 (par Lk 6,31): Die goldene Regel (vgl. z.B. bSchabbat 31a, Sir 31,15, Herodot III 142)

  13. Mt 7,13f (par Lk 13,23f): Die enge Pforte

  14. Mt 7,15-23 (par Lk 6,44.43.46; 13,25ff) Wahre und falsche Propheten und Christen

  15. Mt 7,24-27 (par Lk 6,47ff): Gleichnis vom Hausbau

  16. Mt 8,1: Abgang vom Berge

Lieder
Die Bergpredigt hat im evangelischen Liedgut tiefe Spuren hinterlassen, auch in „Durch Hohes und Tiefes“. Ein weiterer/alternativer methodischer Zugang könnte sein, sich die Bergpredigt (oder ausgewählte Passagen) über die Lieder zu erschließen, bspw. durch Vorgabe eines oder mehrerer Lieder, deren Verweistexte dann von den Teilnehmer*innen gesucht werden oder über das Bibelstellenregister im HuT (Lieder zur Bergpredigt raussuchen).
Seligpreisungen: HuT 277; 322; 358 (zu Mt 5,9)
Salz der Erde, Licht der Welt: HuT 215; 367
Vaterunser: HuT 119; 120; 122; 356; 421
Lebenszeit (Mt 6,27): HuT 207
Hausbau (Mt 7,24-27): HuT 278

2. Die Bergpredigt als ethische Herausforderung (Wem gilt die Bergpredigt?)

1. Minimalkonsens und universale Einsicht: Die goldene Regel (Mt 7,12)

Die Bergpredigt ist voller ethischer Herausforderungen. Als Einstieg eignet sich daher besonders die sogenannte goldene Regel, weil sie unmittelbar einsichtig ist und die Latte nicht zu hoch legt. Zudem formuliert sie (auf spezifische, nämlich positive Weise), was sich als allgemeingültige Erkenntnis ebenso in jüdischer und hellenistischer Tradition nachweisen lässt. Nach U. Luz stand die goldene Regel in Q am Ende der Passage über die Feindesliebe (Mt 5 Ende, vgl. die Parallele Lk 6,31 und ihre Stellung im Kontext). Mt versetzt sie als Zusammenfassung ans Ende des Hauptteils der Bergpredigt.

Mt 7,12
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Alles nun, was ihr wollt, dass die Menschen euch tun, so tut auch ihr ihnen;
denn dies ist das Gesetz und die Propheten.

Die goldene Regel außerhalb der Bergpredigt:

Altes Testament:
Tobit 4,15a (so auch sprichwörtlich im Deutschen!)
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Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. (LUT2017)
Wörtl.: Was du hasst, tue keinem anderen!

Sir 31,15
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Sorge für einen Nächsten wie für dich selbst, und denk an all das, was auch dir zuwider ist. (EIN, nach dem hebr. Text)
Schließe von dir darauf, was dein Nächster gern oder ungern hat, und bedenke alles, was du tust. (LUT2017)

Jüdische Tradition: Babylonischer Talmud, bSchabbat 31a
Was dir verhasst ist, das tue deinem Genossen nicht an! Das ist die Weisung ganz und gar, das andere ist ihre Auslegung. (vgl. Mt 7,12b; vgl. a. das Doppelgebot der Liebe, Mt 22,40)

Herodot III, 142
Was mir am Nächsten missfällt, will ich nach Möglichkeit auch selbst nicht tun.
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Frühchristliche Tradition:
Didach?1,2 (in Kombination mit dem Gebot der Nächstenliebe)
Der Weg des Lebens nun ist dieser: Erstens sollst du Gott, der dich erschaffen hat, lieben, zweitens deinen Nächsten wie dich selbst. Alles aber, von dem du willst, dass es dir nicht geschehe, das tue du auch keinem anderen.

Mögliche Leitfragen:

  1. Fasst die Goldene Regel wirklich DAS Gesetz und DIE Propheten (und damit in gewisser Weise auch die Bergpredigt) zusammen?
  2. Wo liegen ihre Grenzen? Wo geht die Bergpredigt darüber hinaus?

Vgl. Schopenhauers Kritik an Kant:
So entscheidet von diesem Standpunkt aus mein Egoismus sich für Gerechtigkeit und Menschenliebe; nicht, weil er sie zu üben, sondern, weil er sie zu erfahren Lust hat. (Preisschrift über die Grundlage der Moral §7).

2. Die Radikalität der Bergpredigt

Ausgehend von der Arbeit an der Goldenen Regel suchen die Teilnehmenden ein bis zwei Perikopen in der Bergpredigt, deren Radikalität von der Goldenen Regel nicht abgedeckt wird und über die sie gerne sprechen möchten, z.B. innerhalb der sogenannten Antithesen Mt 5,21-47:

Ehebruch- und Ehescheidungsverbot

  • herausgearbeitet werden könnte z.B. die menschenfreundliche Intention des Ehescheidungsverbotes auf dem Hintergrund seiner verheerenden Wirkungsgeschichte
    - Wer wird hier angesprochen? Über wen wird geredet?

  • Schwurverbot
    Wie ist das Schwurverbot mit der gängigen Schwurpraxis „So wahr mir Gott helfe“ vereinbar oder mit der z.B. in den USA geübten Praxis, mit der Hand auf der Bibel zu schwören?

  • Nächsten- und Feindesliebe
    Feindesliebe als Ideal christlicher Vollkommenheit:
    In der Alten Kirche wird das Gebot der Feindesliebe zunächst ganz selbstverständlich als praktizierbar und von Christ*innen praktiziert vorausgesetzt. Gleichzeitig ist bei keinem biblischen Gebot die Geschichte seiner Auslegung zugleich die Geschichte seiner Relativierung. Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus (EKK I/1), 305-318, bes. 314-318.

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