Studiengebühren
Statement der 3. ESG-Vollversammlung (2017) gegen Studiengebühren für Student*innen aus Nicht-EU-Ländern
Die geplanten Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer*innen in Nordrhein-Westfalen halten wir für ein falsches Signal und haben Sorge, dass nach dem Beschluss in Baden-Württemberg weitere Bundesländer nachziehen werden.
Die Evangelische Kirche engagiert sich seit Jahrzehnten an den Hochschulen in Deutschland. Mit den Hochschulgemeinden, die unter dem Namen Evangelische Studierendengemeinde (ESG) an fast jedem Hochschulstandort vertreten sind, haben sie allesamt eine lange Erfahrung in der Begleitung, Beratung und Unterstützung von Student*innen aus dem globalen Süden. Diese bereichern das Gemeindeleben und befördern den weltweiten Austausch unter den Studierenden. Mit Mitteln von Brot für die Welt werden Studierende aus Entwicklungsländern, die in Not geraten, auch finanziell unterstützt. STUBE steht für ein Studienbegleitprogramm für Studierende aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa und beinhaltet ein entwicklungspolitisches Bildungsprogramm für diese Student*innen. Durch diese Arbeit vor Ort haben die ESGn einen guten Einblick in die Situation und wirtschaftliche Lage vieler Nicht-EU-Ausländer*innen.
Bildung für alle
„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter alle Völkern und allen ...ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens unterstützen muss.
(2) Die Vertragsstaaten erkennen, dass in Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts (…) c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seiner Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss; (...)“
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt), 1966, Art.13
Dass Deutschland keine Studiengebühren erhebt, sehen wir als eine wichtige soziale Errungenschaft an.
Zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen gehört SDG (Sustainable Development Goal) 4 „Chancengerechte und hochwertige Bildung“. Dort heißt es: „Die Investition in die Bildung und die Stärkung des Bildungssektors sind der Schlüssel zur Entwicklung eines Landes und seiner Menschen.“ Dieser Grundsatz sollte auch in Zukunft richtungsweisend für die Bildungspolitik in den Bundesländer bleiben.
Dass ausgerechnet Nicht-EU Ausländer*innen, von denen ca. zwei Drittel aus Entwicklungsländern kommen, zur Finanzierung des Bildungssystems in einem der reichsten Industrieländer herangezogen werden sollen, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.
Internationalisierung
„Die internationale Ausrichtung deutscher Hochschulen ist wichtiger denn je. Der Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung und Innovation. Daher fördert das Bundesbildungsministerium die Internationalisierung mit zahlreichen Programmen.“
Zitat auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
Das Gesetz zur Einführung von Studiengebühren konterkariert die Bemühungen der Hochschulen um eine Internationalisierung. Dadurch wird sich die Internationalisierung in Zukunft auf bilaterale Austauschprogramme weniger reicher Länder mit gemeinsamen Wirtschaftsinteressen beschränken. Die ESGn erleben, dass viele Studierende aus den Mittelschichten ihrer Länder kommen. Sie können sich eben nicht ein Studium in den USA, Großbritannien oder Frankreich leisten.
Alle Student*innen profitieren von der Offenheit der Universitäten und dem gemeinsamen Lernen und Forschen an den Hochschulen. Durch die internationalen Kontakte zwischen den Studierenden weiten sich der Blick auf und das Verständnis für die gesellschaftsübergreifenden Zusammenhänge der ganzen Welt. Wir möchten diese breite Internationalisierung an den Hochschulen mit all ihren Vorteilen nicht missen. Wir brauchen auch in Zukunft eine Politik für mehr Bildungschancen, für die Internationalisierung unseres Hochschulwesens und für Weltoffenheit.
Es ist eine Win-Win-Situation für das Gemeinwesen, wenn ausländische Studierende weiterhin nach Deutschland kommen und hier ohne Studiengebühren studieren können. Die Bildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka sagte bei der Vorstellung der PROGNOS-Studie: “Wir freuen uns, dass immer mehr Studierende nach Deutschland kommen. Sie sind uns willkommen, weil sie zum Austausch von Wissen, Ideen und Erkenntnissen beitragen. Die Studie zeigt aber auch: Ausländische Studierende bringen uns ganz handfeste volkswirtschaftliche Vorteile. Sie investieren, konsumieren, zahlen Steuern und sichern Arbeitsplätze. […] Deshalb haben die Länder und der Bund sich das Ziel gesetzt, ihre Zahl weiter zu steigern.“ (Quelle: Vorstellung der PROGNOS-Studie)
Die Entscheidung für Studiengebühren konterkariert die entwicklungs-politischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland
Hinsichtlich der entwicklungspolitischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland könnte deshalb die Entscheidung für Studiengebühren einen großen Rückschlag bedeuten. Der überwiegende Teil der Studierenden aus dem globalen Süden entscheidet sich schon früh im Heimatland für ein Studium in Deutschland, gerade weil es hier keine Studiengebühren gibt. So bereiten sich viele schon im Heimatland auf ihr Studium in Deutschland vor, lernen die deutsche Sprache und damit auch ein Stück der Kultur. Die meisten der Absolvent*innen gehen dann in ihr Heimatland zurück und leisten dort mit den hier erworbenen Kenntnissen wichtige Entwicklungsarbeit. Auf diese Weise stärken Studierende aus dem globalen Süden die Entwicklungszusammenarbeit, wie sie auf der G 20 Afrika-Konferenz auch von Kanzlerin Merkel unterstrichen wurde. "Wenn wir der Jugend keine Perspektive geben, wenn wir nicht in Bildung und Qualifikation investieren, wenn wir nicht die Rolle von jungen Mädchen und Frauen stärken, wird die Entwicklungsagenda keinen Erfolg haben". Die Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland sollten weiterhin Teil dieses entwicklungspolitischen Mosaiksteins bleiben.
Dazu passt nicht die Einführung von Studiengebühren, die in besonders harter Weise, gerade Studierende aus Entwicklungsländern betreffen würde. Studienabsolvent*innen aus Entwicklungs- und Schwellenländern sind unsere natürlichen Brückenbauer in der Entwicklungszusammenarbeit. Sie besetzen oft Schlüsselpositionen in der öffentlichen Verwaltung, in Universitäten oder auch im Privatsektor und können maßgeblich dazu beitragen, Entwicklungsprobleme zu lösen, Armut zu lindern und Fluchtursachen zu bekämpfen.